Scheinerbe: nachträglich gefundenes Testament
Scheinerbe
- Späte Testament-Entdeckung ändert die Erbfolge: Taucht ein wirksames Testament erst nachträglich auf, kann ein zunächst als Erbe auftretender Scheinerbe das Nachlassvermögen unrechtmäßig besitzen. Der rechtmäßige, testamentarisch bestimmte Erbe kann dann Herausgabe und Auskunft verlangen.
- Erbschaftsanspruch gegen Scheinerben: Der wahre Erbe hat Ansprüche auf Rückgabe von Vermögenswerten, Ausgleich für bereits veräußerte Nachlassgegenstände und Einsicht in erzielte Erlöse. Auch dingliche Sicherheiten greifen, wenn beispielsweise eine Immobilie bereits weiterverkauft wurde.
- Kauf- und Verwertungsfälle rechtlich geschützt: Bei gutgläubigem Dritterwerb einer Immobilie aus dem Nachlass ist der Erlös an den wahren Erben herauszugeben, eine Rückabwicklung des Verkaufs kann jedoch unmöglich sein. Gleiches gilt für verkaufte Erbteile – der wahre Erbe kann auch hier den Erwerber in Anspruch nehmen, um sein Erbrecht durchzusetzen.
Inhaltsverzeichnis
- Wenn ein Testament erst nachträglich entdeckt wird: Rechte des wahren Erben wahren
- Ablieferungspflicht des Testaments
- Nachträgliche Auffindung des Testaments und Erbschaftsanspruch
- Wer ist Erbschaftsbesitzer?
- Auskunftspflichten gegenüber dem wahren Erben
- Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft und Herausgabeansprüche
- Besondere Fälle beim Verkauf von Immobilien
- Teilungsversteigerung von Immobilien
- Verkauf einzelner Erbteile
Wenn ein Testament erst nachträglich entdeckt wird: Rechte des wahren Erben wahren
Wird ein Testament nach dem Tod des Erblassers zunächst nicht gefunden, greift automatisch die gesetzliche Erbfolge. Taucht das Testament jedoch später auf, so kommt es vor, dass eine Person, die der Erblasser eigentlich von der Erbfolge ausschließen wollte, zunächst durch die gesetzliche Erbfolge an den Nachlass gelangt. In diesem Fall hat das Erbrecht verschiedene Regelungen vorgesehen, um dem wahren, testamentarisch eingesetzten Erben zu seinem Recht zu verhelfen. Er kann Ansprüche gegen den sogenannten Scheinerben geltend machen, der den Nachlass unberechtigt innehat.
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Ablieferungspflicht des Testaments
Findet jemand ein Testament, das der Erblasser nicht amtlich hinterlegt hat, so ist diese Person verpflichtet, das Testament unverzüglich dem Nachlassgericht abzuliefern (§ 2259 BGB). Die Ablieferung kann persönlich, per Boten oder auf dem Postweg erfolgen. Wenn es unzumutbar ist, das zuständige Nachlassgericht am Wohnort des Erblassers aufzusuchen, genügt auch die Abgabe beim nächstgelegenen Amtsgericht.
Die Beurteilung der formellen oder inhaltlichen Wirksamkeit des Testaments obliegt ausschließlich dem Nachlassgericht. Daher sind alle Schriftstücke, die als Testament in Betracht kommen – auch wenn sie erkennbar unwirksam sind oder Zweifel an ihrer Wirksamkeit bestehen – im Original abzuliefern.
Verweigert ein Besitzer die Herausgabe des Testaments, kann das Nachlassgericht die Ablieferung anordnen. Unterbleibt diese, riskiert der Besitzer strafrechtliche Konsequenzen wegen Urkundenunterdrückung oder die Aberkennung seiner Erbenstellung im Fall einer Miterbschaft. Wenn ein Testament angeblich nicht auffindbar ist, muss der betreffende Besitzer sogar an Eides statt versichern, es nicht zu besitzen oder den Aufbewahrungsort nicht zu kennen.
Nachträgliche Auffindung des Testaments und Erbschaftsanspruch
Wird ein Testament erst nachträglich entdeckt und stellt sich heraus, dass der vermeintliche Erbe nicht der wahre Erbe ist, kann der tatsächlich eingesetzte Erbe die Herausgabe des Nachlasses verlangen (§ 2018 BGB). Der sogenannte Erbschaftsanspruch richtet sich gegen den vermeintlichen Erben, den das Gesetz als Erbschaftsbesitzer bezeichnet. Die entsprechenden Anspruchsgrundlagen finden sich in den §§ 2018 ff. BGB.
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Wer ist Erbschaftsbesitzer?
Als Erbschaftsbesitzer gilt jede Person, die Nachlassgegenstände unter Berufung auf ein vermeintliches Erbrecht zurückhält – unabhängig davon, ob sie gutgläubig ist oder nicht. Auch wer anfänglich als Erbe galt, dessen Erbrecht jedoch nachträglich angefochten oder für unwirksam erklärt wird, wird zum Erbschaftsbesitzer. Gleiches gilt für Personen, die von einem vermeintlichen Erben durch Erbteilskauf Rechte am Nachlass erworben haben.
Besonders relevant wird dies, wenn sich später ein Testament findet, das andere Erben bestimmt als die aufgrund gesetzlicher Erbfolge handelnden Personen. Auch eine Erbengemeinschaft, die auf Grundlage eines vermeintlichen Erbrechts gehandelt hat, kann insgesamt Erbschaftsbesitzer werden.
Auskunftspflichten gegenüber dem wahren Erben
Der Erbschaftsbesitzer ist verpflichtet, dem wahren Erben Auskunft über den Nachlass zu erteilen (§ 2027 BGB). Diese Auskunft umfasst den Bestand, den Verbleib von Nachlassgegenständen, erzielte Nutzungen sowie Ersatzgegenstände. So soll der wahre Erbe den Wert und Umfang des Nachlasses ermitteln können.
Darüber hinaus muss auch jede Person, die zum Zeitpunkt des Erbfalls in häuslicher Gemeinschaft mit dem Erblasser lebte, Auskunft über den Nachlass geben (§ 2028 BGB). Dies betrifft beispielsweise Familienangehörige, Hausangestellte, Pflegepersonen oder Mitbewohner, da diese durch ihre räumliche Nähe Gelegenheit hatten, auf den Nachlass Einfluss zu nehmen.
Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft und Herausgabeansprüche
Hat eine Erbengemeinschaft den Nachlass bereits auseinandergesetzt und später taucht ein Testament auf, das einen anderen Erben oder eine einzelne Person als Alleinerben bestimmt, wird die gesamte Erbengemeinschaft zum Erbschaftsbesitzer. Der wahre Erbe kann dann die Herausgabe dessen verlangen, was die Gemeinschaft aufgrund des vermeintlichen Erbrechts erlangt hat.
War ein Verkauf unberechtigt, kann der wahre Erbe alternativ auch die Herausgabe des Gegenstands selbst verlangen, muss dann aber eventuell den Kaufpreis an den gutgläubigen Erwerber erstatten. Er besitzt hier ein Wahlrecht. Dies gilt auch für getauschte Vermögenswerte oder aus dem Nachlass erworbene Gegenstände (§§ 2019, 2020 BGB).
Besondere Fälle beim Verkauf von Immobilien
Wurde eine Immobilie, die zum Nachlass gehört, durch die vermeintlichen Erben freihändig verkauft, kommt es auf den Vertrauensschutz des Erwerbers an. Ist die Erbengemeinschaft im Grundbuch als Eigentümer eingetragen, kann der Käufer auf die Richtigkeit der Grundbucheintragung vertrauen (§ 891 BGB). Unter bestimmten Voraussetzungen ist auch der gute Glaube an den Erbschein geschützt (§§ 2365 ff. BGB).
In einem solchen Fall kann der wahre Erbe nicht die Rückabwicklung des Kaufvertrages verlangen. Er ist aber berechtigt, den von der vermeintlichen Erbengemeinschaft vereinnahmten Verkaufserlös herauszufordern.
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Teilungsversteigerung von Immobilien
Wird eine Immobilie im Wege der öffentlichen Zwangsversteigerung (Teilungsversteigerung) veräußert, ist der Erwerb kein Verkehrsgeschäft im üblichen Sinne, sondern ein Hoheitsakt. Der Käufer erwirbt sein Eigentum durch den Zuschlag, unabhängig von früheren Eigentumsverhältnissen. Gute-Glaubens-Regeln greifen hier nicht. Der wahre Erbe kann in diesem Fall nur den Erlös verlangen, aber nicht die Rückabwicklung des Erwerbs erreichen.
Verkauf einzelner Erbteile
Wird ein Erbteil von einem vermeintlichen Erben verkauft, so steht der Erwerber rechtlich ebenfalls einem Erbschaftsbesitzer gleich (§ 2030 BGB). Der wahre Erbe kann vom Erbteilkäufer die Herausgabe des erworbenen Erbteils oder des Erlöses verlangen, unabhängig davon, ob der Käufer gutgläubig war.
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